Audio-Andacht zum Sonntag Reminiszere

28. 02. 2021 bis 06. 03. 2021

 

 

Predigt: Pastor Peter Stockmann / Musik: Kreiskantorin Magdalena Szesny und Kantor Jonas Nicolaus

 

Liebe Schwestern und Brüder,

trinken Sie gern Wein? Ein schönes Glas Rotwein am Abend, einen kühlen Weißen zum Fisch? Das Glas angeschlagen in der Sommerhitze?

Wein ist wohltuend. In Maßen genossen, natürlich. Manchmal ist er auch schlecht, billiger süßer Tropfen, der fast sofort Kopfschmerzen macht.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich bin kein Spezialist und kein Weinkenner und habe wenig Routine bei dem, was nach dem Korken ziehen kommt. Aber es kann schon gut sein.

Ob Sommelier oder nicht: Die Sache mit dem Wein ist alt. So alt, dass er auch in der Bibel an vielen Stellen vorkommt. Genauso in der Kirche, wo es unter normaleren Umständen als jetzt regelmäßig Abendmahl gibt. Mit Brot und mit Wein.

Das sogenannte „Weinberglied“ ist bei uns eher unbekannt. Nicht nur deshalb, weil hier kein Wein wächst. Mecklenburg ist eher Bierland, Weinberge und Winzer findet man viel weiter südlich. Es ist auch deshalb unbekannt, weil es mitten im Buch des Propheten Jesaja steht und selten am Sonntag gelesen wird.

Es ist ein Lied, als ob ein Sänger auf dem Marktplatz steht. Ein Bänkelsänger, wie es sie seit Urzeiten gibt.

Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg.

Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte.

Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!

Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.

Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.

Wie ein Gesang auf einem Platz. Da beginnt einer sein Lied, er singt sogar Nun richtet, ihr Bürger! Es könnte der Wochenmarkt in der Blutstraße sein, wie es ihn bei uns gibt. Die Leute kommen herbei, sie hören zu. Sie sollen mitreden oder -singen.

Wohlan!

Ein Lied, das hört man gern! In einer Zeit ohne Tonträger und Elektronik in jeder Hosentasche erst recht. Man schubst einander an, jemand wiegt sich im Takt. Es wird ein Spaß!

Aber es kommt kein gutes Ende. Keine traurige Liebesgeschichte, die doch noch gut ausgeht. Es ist kein Märchen, und wenn sie noch gestorben sind. Nichts davon. Es handelt von etwas ganz anderem.

Der Weinbergbesitzer, der Freund des Sängers, hat alles richtig gemacht. Vom Umgraben über das Steine lesen bis zum Anpflanzen. Ein Gebäude und eine Kelter baut er auch.

Aber es wachsen keine guten Trauben. Stattdessen gibt es nur faule Früchte. Dabei verheißen Weinberge doch eine Menge Gutes. Fachwissen, sonnige Tage, uralte Weinstöcke, Lust und Genuss. Frischen Federweißen nach der Lese, Liebe und Leidenschaft.

Hier: Stinkende Fäulnis. In die harmonische Weinseligkeit kriecht Dissonanz. Die Leute auf dem Markt werden zögern und starren. So geht kein fröhlicher Gesang an einem schönen Tag. Die Leute sind schlagartig nüchtern, ob sie nun getrunken haben oder gern ein Glas gehabt hätten.

Der Weinbergbesitzer haut alles um. Der Weingarten wird eingerissen und zerstört. Nichts bleibt übrig. Hören wir.

Gehen gute Geschichten nicht sonst immer gut aus? Wenigstens die Andeutung von etwas Gnade? Andere Anpflanzungen im Alten oder Neuen Testament werden bei Misserfolg stehen gelassen. Vielleicht wird es ja nächstes Jahr etwas. Aber nicht hier.

Was werden die Zuhörer dieses Liedes sagen? Sie sollen ja ihr Urteil fällen. Ob sie dem Sänger ins Wort fallen wollen? Ich sehe vor mir, wie einige die Münder öffnen und schon einatmen. Aber das Lied kennt keine Pause.

Stattdessen kommt die Moral von der Geschicht’. Der Sänger legt die Geschichte gleich selbst aus. Es ist die Rede vom Haus Israel und den Männern (und Frauen?) Judas. Der Weinbergbesitzer soll Gott sein, der Herr Zebaoth. Spätestens da zu erkennen, wo er über das Wetter gebieten kann.

Sie haben Gott zornig gemacht. Sie haben seinen Willen nicht befolgt, sie haben den Bund Gottes mit den Menschen verlassen. Gott ist wütend.

Geht so ein fröhliches Lied, jetzt, im Vorfrühling am Ende des Winters?

Die Leute auf dem Markt verharren. Sie hatten so ein Lied nicht erwartet. Einige werden schnell gegangen sein. Andere hören von Gott und den Grenzen, die die angesprochenen Menschen übertreten haben.

Sie haben seine Liebe mit Füßen getreten. Und das müssen sie sich anhören. Ohne Gnade.

Aber da, genau da steckt eine fast unhörbare Hoffnung drin. Denn wer so ein Lied singen lässt, wer seinen Zuhörern, auf die er wütend ist, solche Worte entgegenschleudert, der hat sie nicht aufgegeben. Wenn Gott sein Volk aufgegeben hätte, wäre es ihm egal. Dann wäre der Weinberg vielleicht stehen geblieben und verwuchert, soll der blöde Acker doch verkommen.

Aber wer so aus der Haut fährt wie dieser Herr Zebaoth, der liebt. Und der wird vielleicht diesen Weinberg planieren. Aber die Welt ist ja noch viel größer.

Auf diese Liebe sollen sie setzen. Die, die mit dem Sänger auf dem Markt stehen, als er sein Instrument absetzt. Dieses Lied sollen sie gehört haben.

Und vielleicht kommt einer von den Leuten auf dem Markt auf die Idee, mit der richtigen Kenntnis einen Acker anzulegen. Gottes Zorn ernstzunehmen. Die Welt, sie hat damals nicht aufgehört und sie wird auch heute nicht aufhören.

Das Lied hat durch die Menschen immer neue Strophen bekommen. Strophen von Liebe, von Wachstum und von der Schöpfung Gottes mit allem, was darin kreucht und fleucht.

So eins ist auch der Psalm, der wie das Weinberglied zum heutigen Sonntag gehört. Er beginnt so:

Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind. (…) Der Herr ist gut gerecht. (Ps 25)

Trinken Sie gern Wein? Falls nicht, ist auch eine gute Tasse Kaffee Teil der Welt, die Gott geschaffen hat. Zum Wohl!

Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

Einen gesegneten Sonntag!

 
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